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Spitzel-Tulpen aus dem Osten?

Nachträglich zur Osterzeit ein Artikel über Blumen? Nun, um echte Blumen geht es hierbei weniger, sondern eher um „Blüten“.

Ein kleiner Abstecher zurück in die Vergangenheit gefällig? Zum Thema DDR und BRD? Sagt Ihnen der Begriff Stasi noch etwas?

Gemeint ist die echte Stasi, nicht der Schäuble-Abklatsch, der die ursprünglich heimliche Spitzelei in einen offenen Überwachungsstaat überführen will.

Am 31. August 1991 erhielt der Spiegel einen Brief aus Oberhof bei Thüringen von einem Herrn Frank Einstein, der seinen wahren Namen jedoch hinter diesem Decknamen verbergen musste:

An die Redaktion „Der Spiegel“
Postfach 110420
D-2000 Hamburg 11

Zu Ihrem Artikel: Loch im Gehirn, die Ost-FDP gerät mehr und mehr in den Strudel von Stasi-Enthüllungen (Spiegel vom 12. August 1991)

Sehr geehrte Herren Redakteure,

Wenn schon eine Hexenjagd auf vermutliche oder angebliche frühere Mitarbeiter des MfS zum Thema gemacht wird, sollte man bei der Suche nach solchen bestens eine Etage höher gehen. Nach Bonn direkt!

Erinnern Sie sich: in seiner Regierungserklärung sagte Kanzler Adenauer der Welt, die CDU würde nicht aufhören, die Rückgabe der „deutschen Ostgebiete“ zu fordern; im Lastenausgleichsgesetz 1952 wurde der Anspruch der ehemaligen Ostdeutschen auf Rückgabe ihres zurückgelassenen Eigentums gesetzlich festgeschrieben.

1955 trat die BRD der NATO bei, die Aufstellung der Bundeswehr begann; ebenso machte Adenauer bei Verhandlungen in Moskau zur Wiederaufnahme der dipl. Beziehungen mit der Sowjetunion den Vorbehalt der BRD geltend, daß der beiderseitige territoriale Besitzstand davon nicht berührt werde und  die deutschen Ostgrenzen in einem Friedensvertrag geregelt werden müßten.

Dies sei nun geltendes Völkerrecht, erklärte er dem Bundestag. In Ostberlin und Moskau schrillten die Alarmglocken! Kampagnen gegen Adenauer als „Natokanzler“, „Atomkanzler“ und Kriegskanzler lösten sich ab. Ostberlin und Moskau wollten Adenauer und seine CDU als Kanzler und Regierungspartei von der politischen Bühne vertreiben. Aber diese waren zu stark, um dieses Ziel auf regulärem und legalem Wege zu erreichen.

Ein Strategiestab wurde eingesetzt. Diesem gehörte ich an. Der Plan wurde ausgearbeitet, die FDP der BRD durch Perspektivagenten zu unterwandern. Deren Auftrag war es, in die Spitze der FDP-Fraktion einzudringen. Also sich in Führungspositionen hochzudienen. Danach sollte eine politisch veränderte FDP deren Koalition mit der CDU und CSU verlassen. Es sollte eine neue Koalition mit der SPD gebildet werden, von der eine Ostpolitik im Sinne Moskaus erwartet wurde, wobei die Festschreibung der seit 1945 bestehenden polnischen Westgrenze Schwerpunktziel war.

Das Vorhaben gelang. Die alte und national gesinnte FDP-Spitze wurde verdrängt. Ein lächerlicher Vorwand, Ablehnung eines Steuerkompromisses, genügte 1966 der FDP, durch ihr Ausscheiden aus der Regierungskoalition die SPD auftragsgemäß in die Regierungsverantwortung zu hieven. Brandt wurde Außenminister, sein Vertrauter Bahr begann sofort in der Sowjetbotschaft in Ostberlin die Ostverträge nach sowjetischen Vorstellungen vorzubereiten.

1969 schloß die SPD mit der FDP den Koalitionsvertrag, Brandt wurde Kanzler, Scheel Außenminister, Genscher Innenminister. Wenige Monate später wurden die Ostverträge in Moskau und Warschau „verhandelt“. Die Perspektivagenten der FDP, sehr fähige und zudem hervorragend geführte  Männer waren es, hatten ihre Aufgabe erfüllt.

Einer hatte sich ganz besonders hervorgetan. Einer, der zu einer Zeit ein Jura-Studium in der DDR begann, als nur die im Sinne der SED Linientreusten zum Studium zugelassen wurden. Hundertausende ehem. DDR-Bürger wissen dies aus leidvoller Erfahrung.

Ebenso im  Jahre 1946 trat dieser eine der liberal-demokratischen Partei der DDR bei. Mit diesem Beitritt folgte er einem Auftrag derer, die ihm sein Studium ermöglichten. Das ist mir bekannt. Ebenso im Auftrag siedelte dieser eine in die BRD über. Dort führte man ihn zunächst an der langen Leine. Er war ehrgeizig und fleißig, er wurde schließlich 1954/55 in der BRD als Rechtsanwalt zugelassen…

Und nun, meine sehr verehrten Herren Redakteure, dürfen Sie raten, weshalb sich dieser immens fleißige und ehrgeizige eine, der seine Zulassung zum Rechtsanwalt in der Tasche hatte, stattdessen als kleiner wissenschaftlicher Assistent  bei der FDP-Fraktion in Bonn verdingte! Weil er für die Unterwanderungsstrategie Ostberlins der mit Abstand befähigste klassische Perspektivagent des MfS war, dem er aus innerer Überzeugung diente.

Entsprechend erfolgreich wurde sein politischer Aufstieg, den er mit dem ihm eigenen Fleiß und Ehrgeiz in zielstrebiger Kärrnerarbeit schaffte: ab 1962 Bundesgeschäftsführer der FDP, schon seit 1959 Geschäftsführer der Fraktion der FDP, ab 1968 stellvertr. Bundesvorsitzender der FDP, seit 1965 Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, er konnte seinen Auftrag erfüllen; die Macht und die Mittel der Bonner FDP-Fraktion standen ihm zur Verfügung, ergebene Mitkämpfer seines Sinnes standen ihm in Baum (Dresden), Hirsch  (Magdeburg) und anderen treu zur Seite.

1969 wurde dieser eine Innenminister der BRD, seine Mitstreiter wurden mit hohen Ämtern belohnt; auch der ebenfalls aus Dresden stammende Mischnick.

Inzwischen haben Sie längst erkannt, daß hier von Genscher die Rede war, dem seit nunmehr rund 18 Jahren dienstältesten Außenminister der Welt. Kein anderer Politiker unserer Zeit führte so oft und in so vielen Ländern der Welt die hehren Worte von Völkerrecht und Menschenrecht, von Selbstbestimmung der Völker und Heimatrecht im Munde, wie Genscher – wenn es um das Schicksal nichtdeutscher Menschen und Volksgruppen ging, wie jüngst der Letten, der Esten oder der Litauer, auch der Slowenen und der Kroaten.

Nur für die Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht und das Heimatrecht der aus ihrer Heimat vertriebenen Ostdeutschen, die insgesamt das größte Opfer des vergangenen Weltkrieges zu tragen hatten und noch heute tragen, für diese seine deutschen Landsleute fand Genscher niemals auch nur ein einziges Wort zur Vertretung ihrer legitimen Ansprüche. In geradezu autistischer Manier hielt er diese aus seiner Gedankenwelt verbannt und trat mit keiner Silbe für deren Heimatrecht und einen dieses regelnden Friedensvertrag ein.

Getreu seinem Auftrag vollendete er das, was einst Stalin begann und von Brandt und Bahr fortgesetzt wurde: Er gab rund 1/3 des früheren deutschen Staatsgebietes preis und rühmte sich noch: „Nichts ist uns aufgezwungen oder abgerungen worden“; er unternahm rein nichts, um z.B. wenigstens internationale Gespräche über einen grenzregelnden Friedensvertrag, deren Ausgang ohnehin ungewiß gewesen wäre, in Gang zu bringen.

Seinen MfS-Auftrag hat Genscher nunmehr erfüllt. Bemüht er sich jetzt, die Wandlung vom Saulus zum Paulus zu vollbringen? Mitnichten: während Bessmertnych sich während des Maskau-Putsches bedeckt hielt und dafür gehen mußte, bezeichnete Genscher den Hauptputschisten Janajew als den „amtierenden Präsidenten“ – und bleibt…  (Die „lange Leine“ wurde längst eingezogen.)

Überdies wurden auch Vertriebenenorganisationen und die CDU unterwandert. Die Herr Dr. Czaja und Dr. Hupka bleiben unbetroffen, bei Rühe und Lamers hat es erkennbar abgefärbt.

Sie werden verstehen, daß ich Ihnen diesen Brief nur unter meinem Decknamen schreiben konnte. Ein etwaiger Kontakt zu mir ist Ihnen bei einem Abdruck dieses Briefes in der gleichen Spiegel-Nummer möglich.

Freundliche Grüße
gez. Einstein

Dieser Brief stammt – über eine Kontaktperson – von einem Ex-Beamten des Innenministerium, der noch in der Adenauer-Ära diente. Er ist ein „sehr feiner Herr“, der mit christlichem Fundament nicht hinnehmen will, daß diese „Lümmel“ (so sagt er immer) unser Land kaputtmachen.

Zum Rücktritt Genschers im Jahre 1992 hatte er folgendes anzumerken:

Am 27. April, als der Rücktritt bekannt wurde, meldete der BBC in seiner Nachrichtensendung dreimal, daß Genscher wegen Spionagefall beim Übertritt von der DDR in die BRD zu Beginn der fünfziger Jahre nicht mehr haltbar war.

Der französische Rundfunk meldete es nur einmal, meldete es aber auch. Keine deutsche Zeitung druckte es unter Rubrik „Stimmen des Ausland“ nach. Aber das Fernsehen hat festgehalten, wie Genscher in stummer Wut einen Journalistenpulk durchschritt.

Zum Focus-Artikel über „Der Vielflieger im gelben Pullunder“ vom 20.03.2007 hinterließ ein Benutzer „Moodester“ folgenden Kommentar:

„Wohl kaum etwas kennzeichnet die deutsche „Demokratie“ besser als die Tatsache, dass Insider-gesteuerte deutsche Medien fertig bringen konnten, diesen vom Ministerium für Statssicherheit (STASI) als IM „Tulpe“ geführten „Zonenflüchtling“ (und Rotarier – d. Verf.) zum beliebtesten deutschen Politiker und dienstältesten Außenminister der Welt zu machen.“

Herman Franzis, Ehemaliger Referatsleiter in der Bonner Ministerialbürokratie

Da dürfte bei einigen Menschen große Ernüchterung aufkommen, wenn sich ein so populärer Politiker wie Hans-Dietrich Genscher im Nachhinein als Stasi-Spitzel entpuppt.

Aber das ist noch gar nicht der eigentlich schlimmste Punkt. Viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass mit der Zeit die bislang verdeckten Lügen immer größer und immer unheimlicher werden. Gibt es denn überhaupt bedeutsame Politiker in der Vergangenheit und Gegenwart, denen man vertrauen kann und die nicht in irgendeiner Art und Weise in irgendwelchen Machenschaften drinhängen?

Viele Enttäuschungen mussten all diejenigen seit dem Tag erleben, an dem sie „hinter den Vorhang geschaut haben“. Wieviele Lügen einem dabei begegneten kann kaum jemand noch konkret benennen. Es macht auch wenig Sinn, diese zu zählen, deutlich schneller ist man durch, wenn man die Wahrheiten zusammenrechnet.

Machen wir uns nichts vor: Tulpen, Nelken, Osterglocken, egal wie die IMs alle heißen mögen, es gibt sicherlich noch unzählige solcher Geschichten, die wir gar nicht alle kennen, die vielleicht niemand mehr kennt, weil längst alle Personen verstorben und alle Beweise vernichtet sind.

Unser Ziel soll auch nicht sein, nur in der Vergangenheit zu kramen, sondern wichtig ist der Blick nach vorne. Dennoch wäre es töricht, die Vergangenheit auszublenden, zuviele Abhängigkeiten blieben uns sonst verborgen.

Wenn man bedenkt, dass teilweise Weltbewegendes geschah, nur weil einzelne solcher Personen bestimmte Entscheidungen fällten und Dinge unternahmen, dann kann man sich eigentlich nur erstaunt wundern. Es bedeutet jedoch zugleich, dass es prinzipiell möglich ist, als Einzelner etwas zu bewegen und zu verändern – ebenfalls als Gruppe und sei sie noch so klein.

Resignation ist aus diesem Grunde nicht angebracht – noch ist nichts verloren, ganz im Gegenteil, es hat noch gar nicht alles begonnen. Machen Sie mit, gehen Sie nach vorne und holen Sie sich Ihre Freiheit zurück, die man unseren Vorfahren vor etlichen Jahrhunderten geraubt hat.

13 Replies to “Spitzel-Tulpen aus dem Osten?”

  1. @HaroldGraf

    Hast Du eine Möglichkeit mich hier zu Kontaktieren?
    Ich will meine E-Mail Adresse nicht Öffentlich hier Preisgeben.
    Fals der Webmaster Dir das zukommen lösst?
    Wäre echt super. Danke schonmal im Voraus an den Webmaster falls sich das machen lässt.

    Gruß Ali

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