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Lobbyisten an der Macht und keiner hat’s gesehen

Erinnern Sie sich noch an die gute alte Zeit, als Affären von Politikern zu deren unmittelbarem Rücktritt führten?

Heute läuft das anders. Da werden höchstens „Fehler eingeräumt“. Hinterher geht es unvermindert weiter, schließlich muss die Lobby bedient werden. Wer möchte schon auf Vergünstigungen verzichten?

Außerdem interessiert sich das Volk nicht für Skandale, sowas kann doch jedem passieren.

Vor 20 Jahren lief das noch so: Im Dezember 1990 wurde die „Segeltörn-Affäre“ von Lothar Späth aufgedeckt und bereits Mitte Januar 1991 trat er zurück. Obwohl der Dapferle, so Späths Spitzname bei den Schwaben, hinterher offiziell vom Untersuchungsausschuss entlastet wurde, zog er damit unmittelbar nach „Entlarvung“ die Konsequenzen.

Und heute? Außer Fehlereinräumung passiert nichts, gar nichts. Wenn es überhaupt dazu kommt. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff räumt solche Fehler ein, der NDR zitierte ihn am 22.01.2010:

„Das Upgrade hätte ich nicht in Anspruch nehmen dürfen. Das war ein Fehler. Das räume ich ohne Wenn und Aber ein. Ein Politiker muss jeden Anschein einer Besserstellung vermeiden“, sagte der Regierungschef im Landtag in Hannover. Ihm sei dies aber erst bewusst geworden, als das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wegen der Reise in der Staatskanzlei nachfragte.

[…]

Einen strafrechtlichen Verstoß sehe er aber nicht, da er nicht bewusst und ohne Vorsatz gehandelt habe.

Aha, ihm ist das erst bewusst geworden, als die Situation an die breite Öffentlichkeit ging? Vorher war es ihm also nicht klar, dass er persönliche Vorteilsnahme praktizierte und erst durch die Presse kam er auf den Gedanken, die Preisdifferenz nachzuzahlen. Aber da dies kein strafrechtlicher Verstoß sei, kann nun selbstverständlich ganz schnell wieder Gras über die Sache wachsen.

Dann gab es da noch diesen großen Skandal mit Dr. Wachsam alias Wolfgang Schäuble, der sich partout nicht mehr an die kleine Spende von 100.000 Mark in der Schreibtischschublade erinnern konnte. Selbstverständlich ignoriert man heute derartige Lapalien, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wo kämen wir denn sonst hin, wenn jeder Politiker mit Dreck am Stecken zurücktreten würde? Da hätten wir ja auf einen Schlag tausende weitere Arbeitslose.

Auf der anderen Seite scheint es dann aber doch noch „ehrenhaftes“ Verhalten zu geben in Berlin. Da soll nun nämlich der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQWIG, Peter T. Sawicki, seinen Posten abgeben. Es ist in diesem Fall keine Entlassung, sondern sein Vertrag wird nicht mehr verlängert, weil Sawicki eine „Dienstwagenaffäre“ belasten soll.

Laut Spiegel blieb von diesen Vorwürfen jedoch wenig übrig, da ein Rechtsgutachten zum Schluss kam, dass Sawicki „keinesfalls gegen den Dienstvertrag verstoßen“ habe. Dennoch soll eine vermeintliche „Dienstwagenaffäre“ deutlich schwerer wiegen als die nachgewiesene Bestechlichkeit eines heutigen Finanz-Ministers?

„Gestürzt“ wurde Sawicki in Wirklichkeit höchstwahrscheinlich aus Pharma-Interessensgründen. Der Spiegel veröffentlichte dazu am 21.01.2010 folgende Details:

Ende November wurde dann bekannt, dass Regierungskreise sowie die von FDP-Mitglied Baum geführte DKG offenbar die Ablösung Sawickis betrieben. In einem Papier („Kernforderungen an eine schwarz-gelbe Gesundheitspolitik“) hatten sich die führenden Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion dafür ausgesprochen, Sawicki nach Ablauf seines Vertrags durch einen industriefreundlicheren Kandidaten zu ersetzen.

Angeblich war Peter Sawicki der Pharmaindustrie ein Dorn im Auge, hatte er es doch gewagt, Therapien und Medikamente neben ihrer Wirksamkeit auch bezüglich ihrer Effizienz zu prüfen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 20.01.2010 äußerte sich Professor Klaus Lieb von der Uniklinik Mainz zum Thema:

Das IQWIG ist ein sehr wichtiges Institut, das uns eben ermöglicht wirklich zu schauen: Welche Therapien sind wirksam und auch kosteneffektiv? Und da hat das IQWIG schon einige Entscheidungen getroffen, die auch einigen Wirbel, so wie Sie es schon gesagt haben, hervorgerufen haben. Aber diese Entscheidungen waren zwar unbequem, aber doch sehr wichtige Entscheidungen, die dann dem gemeinsamen Bundesausschuss ermöglicht haben, zu entscheiden: Welche Therapien werden erstattet und welche nicht?

Dieses kritische Vorgehen des IQWIG dürfte die verarmte Pharmaindustrie bestimmt schon einige Milliönchen gekostet haben, seit das Institut im Jahre 2004 gegründet wurde. Peter Sawicki äußerte sich in einem eigenen Interview mit spektrumdirekt am 23.09.2009 folgendermaßen:

Das Problem ist, dass sich die Politik zu sehr auf die Pharma-Hersteller verlässt. Es gibt eine riesige Lobby, welche die Medizingeräte und die Medikamente vertritt und die Politik beeinflusst. Die aber machen die Studien zum Teil nicht, zum Teil unzuverlässig. Negative Erkenntnisse werden oft gar nicht publiziert. Hinzu kommt, dass es kaum vergleichende Studien für andere Behandlungsmethoden gibt, Krankengymnastik etwa. Dabei ist gar nicht gesagt, dass beispielsweise Psychopharmaka bei Depressionen besser helfen als etwa Massagen.

Dazu passt auch die Aussage von Horst Seehofer, seinerzeit noch Bundesgesundheitsminister, dass die Pharmalobby stärker ist als die Politik.

Peter Sawicki weiter im Interview:

Der Kommerz muss aus der Medizin heraus. Die Ärzte dürfen nicht überlegen: Wie viel verdiene ich, wenn ich bei einem Patienten eine Herzkatheter-Untersuchung mache, und wie viel, wenn ich mit ihm über eine Änderung seiner Lebensweise spreche?

[…]

Die Bevölkerung hat eine unrealistisch positive Einschätzung vom Nutzen medizinischer Behandlungen. Die Menschen müssten informiert werden über den tatsächlichen Nutzen und Schaden der Interventionen. Wenn man Frauen sagen würde, wie viele von zehn Jahren Mammografie-Screening profitieren – das sind eine bis maximal zwei von 1000 Patientinnen -, dann würden viele das nicht machen. Ich vermisse die Ehrlichkeit bei der Information der Patienten.

Verstehen Sie jetzt, warum Sawicki seinen Posten räumen muss? Ehrlichkeit interessiert nicht, sie schadet dem Geschäft der Pharmafia.

Der Lobbyismus hat schon längst die Macht über diese Scheinrepublik übernommen. Auch die Absetzung von Nikolaus Brender, dem ehemaligen ZDF-Intendanten, durch die hessische CDU, hatte Machterweiterung zum Ziel.

Dasselbe in grün erkennen wir an der Berufung des Juristen Gerald Hennenhöfers für die Abteilung für Reaktorsicherheit. Hennenhöfer, der eine eindeutige Vergangenheit als Atomlobbyist besitzt, ins Umweltministerium zu setzen, ist in etwa dasselbe, als wenn der Fuchs den Hühnerstall bewacht.

Ähnliche Lobbyarbeit erfreute uns vor wenigen Wochen bereits schon einmal. Die Hotelbranche setzte für sich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz durch.

In diesem Land bekommt jeder, was er will, sofern er die passende Lobby hat. Sogar als Kanzler der Inkompetenz wird man belohnt. Wie kommt man auf die Idee, Angela Merkel den Medienpreis zu verleihen? Wegen ihrer grandiosen Lügenpropaganda?

Die Lügner unterstützen und schützen sich gegenseitig. Derart korrupten Filz kann man nicht mehr reinigen, der gehört in den Sondermüll, tief unter die Erde, für die nächsten 10.000 Jahre. Hat jemand einen leeren Stollen, den er zur Verfügung stellen könnte?

11 Replies to “Lobbyisten an der Macht und keiner hat’s gesehen”

  1. Würde sofort mit der Arbeit am Stollen beginnen.
    Bleibt die Frage, wie man derart gefährlichen Sondermüll, mit
    geltenden Gesetzen und Verordnungen transportiert.

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