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Langsam kommt die Masse in der Wirklichkeit an – oder?

Ein breiter Ausstieg aus Lebensversicherungen und die Umschichtung in reale Werte hat begonnen. Endlich scheint ein Umdenken und Aufwachen in der Bevölkerung zu beginnen.

Bei näherem Hinsehen macht sich jedoch schnell Ernüchterung breit, denn niemand wacht hier wirklich auf, sondern es ist lediglich der Wind der Luftpumpen diverser Blasen, der nun zu spüren ist.

Sie wachen auf, die Bürger, denn ihnen steht die Begegnung mit der grausamen Realität bervor. Keineswegs ist die Krise zu Ende, jetzt beginnt das große Sparen. Die britische Regierung werkelt daher weiter an ihrer Schrumpfkur, was laut Spiegel vom 24.10.2010 auch bald zu sichtbaren Folgen führen wird:

So haben Londoner Bezirke bereits gewarnt, dass rund 82.000 Familien – mehr als 200.000 Menschen – in der Hauptstadt durch die Kürzungen aus ihren Wohnungen vertrieben werden könnten.[…]

Die Oppositionspolitikerin Karen Buck […] schätzte, dass die Einschnitte landesweite Folgen haben werden: „Die schiere Reichweite und Radikalität der Regierungsvorschläge bedeutet, dass landesweit fast eine Million Haushalte betroffen sind.“

Premierminister David Cameron ist der Auffassung, dass seine Sparpläne richtig sind – zumindest für die Wirtschaft. Immerhin ist er ehrlich, denn es wird in Zukunft gar nicht mehr ohne solche Maßnahmen gehen.

Zunächst werden die meisten Regierungen noch freiwillig sparen. Wenn sie dann kurz darauf ihre staatliche Zahlungsunfähigkeit feststellen werden – diese wird allerdings wohl nicht offiziell als solche verkündet – wird das echte Sparen zwangsweise kommen. Das dürfte dann auch den Namen Sparpaket offiziell verdienen im Gegensatz zu den derzeitigen zaghaften Einschränkungsbemühungen.

Die Masse der Bürger wird dieses Sparen dann einerseits überall vermehrt vor Augen haben und andererseits auch am eigenen Leib verspüren. Dann werden sicherlich viele von ihnen anfangen, sich Gedanken über das Geschehen zu machen. Freilich in den meisten Fällen viel zu spät, insbesondere in Bezug auf ihr Sparvermögen und ihre Rente.

Laut der Welt vom 24.10.2010 sorgt sich jeder fünfte Bundesbürger wegen der Finanzkrise um seine Altersvorsorge und stornierte diese bereits:

Spätestens als im Mai die europäischen Regierungen das milliardenschwere Rettungspaket beschlossen, kam Schmidt der Gedanke auszusteigen. Raus aus der Lebensversicherung, raus aus dem Riester-Sparplan, raus aus den Sparbriefen. Denn sein Zutrauen in die Stabilität des Euro war erschüttert.

Geradezu sinnlos erschien ihm die Vorstellung, noch jahrzehntelang in seine Altersvorsorge Geld einzuzahlen, die vermutlich bis dahin längst nicht mehr den Wert haben würde, mit dem er bisher kalkuliert hatte. Ein paar Wochen überlegte der 39-Jährige noch. Dann kündigte er sämtliche Vorsorgepolicen und machte sich auf die Suche nach einer Immobilie, in die er sein Vermögen stecken wollte.

Neben Immobilien erleben auch Edelmetalle einen „Boom wie lange nicht mehr“, so die Autoren. Spät, aber immerhin, die Welt hat es erkannt, dass die Bürger keine Lust auf Verlust zu haben scheinen. Der Artikel nennt als Auslöser dieser Umschichtung die „archaische Grundangst vor Inflation“ der Deutschen.

Zwar nennt die Welt hier die Zahl von etwa 20% der Bürger, die angeblich ihre Altervorsorge zu Geld gemacht haben und nun auf der Suche nach realen Werten seien. Doch decken sich diese Aussagen mit Ihrer Erfahrung in Ihrem persönlichen Umfeld? Irgendwie scheint das gefühlt nicht ganz hinzuhauen. Möglicherweise läuft das Umschichten gerade auch nur bei einer ganz bestimmten Klientel ab.

Tendenziell klingt dies durchaus nach einem ganz langsamen Aufwachen in der Bevölkerung, aber wenn die Schlafschafe von der Lebensversicherung zu einer Immobilienfinanzierung wechseln, dann hat sich das Schaf wohl doch nur im Schlaf auf die andere Seite gewälzt und schlummert weiter vor sich hin, denn sich freiwillig in Zeiten einer massiven Wirtschaftskrise einen Kredit ans Bein zu binden, ist einfach nur irre.

Vielleicht liegt das ja daran, dass es gar keine Krise mehr gibt? Das manager magazin schrieb am 24.10.2010 von einem kommenden „goldenen Jahrzehnt“:

Nun schrauben auch führende Ökonomen ihre Prognosen deutlich nach oben, wie eine Umfrage der „Welt am Sonntag“ unter Bankvolkswirten ergab.

Nichts gegen die Gastronomen, aber das folgende Sprichwort hat sicherlich seine Berechtigung:

Wer nichts wird, wird Wirt.

Und wer sich nicht mal dahin verirrt, wird gleich Volkswirt.

Von den lieben „Experten“ haben wir zwar schon längst die Nase voll, aber im selben Artikel gießen diese Nichtskönner erneut Öl auf ihren Scheiterhaufen:

Erste Experten halten sogar ein „goldenes Jahrzehnt“ für möglich. […] Deutschland werde bis Ende des Jahrzehnts jährlich rund 1,75 Prozent wachsen. Der Aufschwung steht nach Ansicht der Ökonomen auf breiter Basis.

Ganz offensichtlich beschränkt sich Denken und Reden dieser Experten auf simpelste Mathematik, denn außer Dreisatz und linearer Hochrechnung scheinen sie keine weiteren Fähigkeiten zu besitzen, gar nicht davon zu reden, dass sie den gesunden Menschenverstand ihr Eigen nennen könnten.

In Anbetracht der Worte von Finanzminister Schäuble in einem weiteren Artikel der Welt vom 24.10.2010, scheint es mit dem Erwachen aus dem Dauerdelirium doch nicht wirklich weit her zu sein:

„Alle traditionellen Institutionen – von den Gewerkschaften bis zu den Kirchen – haben Vertrauen verloren. Das ist bei den Volksparteien nicht anders.“ Die schlechten Umfragewerte erklärt Schäuble mit den Reformen der schwarz-gelben Koalition.

Schäuble glaubt also allen Ernstes, dass die sinkende Zustimmung in der Bevölkerung für den ständigen politischen Hochverrat der Regierung ein völlig normaler Prozess ist? Nun, so unrecht hat er damit gar nicht. Der Vergleich mit den Kirchen und Gewerkschaften passt ebenfalls hervorragend, denn die einen vergehen sich an wehrlosen Kindern und die anderen lassen es sich auf Kosten ihrer Mitglieder gut gehen.

Verbrecher unter sich, könnte man sagen. Natürlich ist da seine Schlussfolgerung völlig richtig, dass der Vertrauensverlust der Bürger in alle traditionellen Einrichtungen zwingend folgen muss. Alles andere würde nicht für das Volk und dessen noch teilweise intakten Gespürs für Wahrheit sprechen.

In welch abgehobenen Sphären Wolfgang Schäuble tatsächlich schon schwebt, zeigt auch seine Einschätzung zu den „Erfolgen“ der Regierungskoalition. Offenbar glaubt er den eigenen und den Lügen seiner Ministerkollegen uneingeschränkt – vermutlich hat er im Krankenhaus aber einfach nur zu viel ferngesehen.

Was mutmachend begann und auf das Ende des Schafszeitalters hoffen ließ, verdampft in der Realität zu dünner, CO2-geimpfter Luft. Die Masse hat nach wie vor keinerlei Ahnung davon, was demnächst auf Kanal 1 direkt nach „Brot und Spiele“ im Programm laufen wird.


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