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Knallharte Zensur unter dem Deckmantel des Jugendschutzes

Erst wird freundlich auf angeblich „unzulässige“ Angebote hingewiesen, dann binnen kurzer Frist erneut überprüft, anschließend an eine übergeordnete Instanz gepetzt und wenn das alles nichts hilft, kommt die Strafverfolgung zum Zuge.

Richtig, die Rede ist von unerwünschten Inhalten auf Webseiten und dem offiziellen Vorgehen dagegen. Falsch dagegen ist, dass es sich hier um den Fall China handelt. Wer Zensur im Internet real erleben will, betrachte einfach das Internet im Reiche der BRD. Die längst vergessene Diktatur kehrt zurück – unter neuem Namen.

Wahrheiten.org erhielt vor Kurzem von jugendschutz.net Post mit folgendem Inhalt:

nach Überprüfung der Web-Site wahrheiten.org mache ich Sie als Verantwortlichen darauf aufmerksam, dass dort unzulässige Inhalte frei zugänglich sind.

Das Angebot ist jugendgefährdend und nach §4 Abs. 2 Nr. 2 JMStV (Inhaltsgleichheit mit indizierten Darstellungen) unzulässig. Beispielsweise ist zu beanstanden:

– Link: von Seite https://www.wahrheiten.org/blog/die-groessten-luegen-der-welt/linksammlung/ nach http://de.[…].org/

Das Angebot […].org wurde mit Entscheidung Nr. 8543 (V) vom 22.1.2009 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind derartige Angebote nur zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich sind (geschlossene Benutzergruppe).

Im weiteren Text wurde darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls mittels Alterverifikationsverfahren der Zugriff auf die Website eingeschränkt werden müsste, sofern eine Jugendgefährdung davon ausgehe. Zudem würde der Betreiber für alle Links auf unzulässige Angebote und ebenfalls für alle „Gästebucheinträge“ haften.

Eine Woche nach Zugang des Schreibens werde jugendschutz.net die obige Seite erneut prüfen und sofern keine „ausreichende Abänderung im Sinne des Jugendschutzes“ erkennbar sei, würde der Fall an die zuständige Medienaufsicht eskaliert werden. Diese könne dann zum einen die Strafverfolgungsbehörden einschalten und zum anderen das Angebot direkt beim Webhoster sperren lassen sowie ein Ordnungsgeld anordnen.

Wie absurd diese Verantwortlichkeit ist, erkennen Sie anhand eines einfaches Beispiels: Angenommen, Sie setzen auf Ihrer Internetpräsenz einen Link zu einer Website, die zum entsprechenden Zeitpunkt „in Ordnung“ war, dann tragen Sie ab diesem Moment unmittelbar die ständige Mitverantwortung für jegliche Inhalte, welche der andere Webseitenbetreiber in Zukunft publiziert.

In Anbetracht dieser behaupteten Verantwortung, sollte man das Internet besser jetzt sofort herunterfahren, denn wenn es aus diesem Grund keine Links mehr zwischen Websites gibt, dann ist das Netz an sich in dieser Sekunde tot. Angeblich handelt offenbar jeder grob fahrlässig, wer jetzt noch einen Link zu irgendeiner anderen Website in sein Internetangebot einbaut, ohne täglich die gesamte verlinkte Seite im Detail auf „unzulässige“ Inhalte hin zu überprüfen.

Würde man diesen Anspruch an die Verhinderung der Jugendgefährdung auch außerhalb des Internets umsetzen, kämen die skurrilsten Ergebnisse zum Vorschein. Sämtliche Schilder und Wegweiser an allen Straßen und Autobahnen zu all jenen Orten müssten entfernt werden, in denen sich Einrichtungen befinden, welche die Jugend gefährden könnten. Dazu zählen alle Städte mit Rotlichtbezirken, illegalem Drogenhandel, Gegenden in der Hand der Russenmafia, Schulen mit gewalttätigen Schülern, usw.

Wieviele Städte könnten ihre Namen auf den Verkehrsschildern noch behalten? Es dürften sehr wenige sein. Sie sehen, eine völlig lächerliche Überlegung. Im Internet wird aber genau dies gefordert und nicht nur das, auch die Aufsteller der Verkehrsschilder müssten dafür geradestehen, wenn in einer der auf den Schildern genannten Städte eine Jugendgefährdung nachweislich begangen würde.

Was jeder vernünftige Mensch in diesem Fall mit den Schildern als schwachsinnig bezeichnen würde – im Internet wird genau so verfahren.

Sie können übrigens dieselben Überlegungen zum Jugendschutz auch in Bezug auf Fernsehwerbung oder Musikvideos anstellen. Fast nackt und teilweise extrem obszön sind die meisten Pop-Idole heute nur noch zu sehen. Hier scheint der Gewohnheitseffekt schwerer zu wiegen, alles ist offensichtlich erlaubt. Wo findet hier der Jugendschutz statt? Es gibt keinen.

Zurück zu dem Schreiben von jugendschutz.net. Auf die Nachfrage, was denn bei der verlinkten Seite […].org tatsächlich an Jugendgefährdung im Raum stehen würde, kam folgende Antwort:

Der deutschsprachige Teil der Website (http://de.[…].org/wiki/Hauptseite) enthält Inhalte, die den Holocaust leugnen oder Symbole/Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in einem nicht-aufklärerischen Kontext darstellen – was gegen geltendes Recht verstößt (§130(3) bzw. §86a StGB).

Die Totschlagkeule §130 StGB steckt also dahinter, wer hätte es gedacht. Davon abgesehen, was hat denn ein in der BRD vorliegender Straftatbestand – die Leugnung des Holocausts – mit Jugendschutz zu tun? Hierbei wird schon die wahre Absicht dieses „Jugendschutzes“ offensichtlich: Es geht um knallharte Zensur unter einem anscheinend legitimen Deckmantel – kennen wir ja schon längst Dank Zensursula.

Sie fragen sich bestimmt, was es nun konkret bringen soll, unsere Jugend vor bestimmten Internetinhalten innerhalb der BRD zu „schützen“, wo es quasi sämtliche Informationen in deutscher Sprache auch im ausländischen Netz noch mehrmals gibt? Eine weitere Nachfrage ergab:

Wie bereits erwähnt werden dort illegale Inhalte verbreitet, die gerade aufgrund der Aufmachung des Angebots (im Wikipedia-Stil) besonders problematisch für Jugendliche sein können. Die Indizierung durch die BPjM führt dazu, dass ein Angebot in Deutschland Kindern und Jugendlichen nicht mehr frei zugänglich gemacht werden darf. Außerdem haben sich deutsche Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet, indizierte Webangebote aus ihrem Index zu streichen. Somit sind Verbreitungsmöglichkeiten für derartige Angebote eingeschränkt.

Zu deutsch: Google zensiert auf Wunsch der Regierung. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, das geschieht nur zu Ihrer eigenen Sicherheit und der Ihrer Kinder.

Bei manchen Angeboten, die im Ausland liegen, haben wir leider keine Möglichkeiten, gegen die verantwortliche/n Person/en vorzugehen und rechtliche Schritte einzuleiten, da im Ausland die Verbreitung rechtsextremer Inhalte meist nicht sanktioniert wird. Dennoch versucht jugendschutz.net über die Beteiligung an internationalen Netzwerken (INACH und INHOPE) grenzüberschreitende Lösungen voranzubringen. Bei […].org waren Aktivitäten jedoch bislang nicht von Erfolg gekrönt.

Generell sind wir aber auch bei Providern im Ausland überwiegend erfolgreich, wenn es darum geht illegale, rechtsextreme, menschenverachtende, diskriminierende Inhalte entfernen zu lassen. Viele Provider wenden sich ausdrücklich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen rassistische oder diskriminierende Inhalte und dulden diese nicht auf ihren Servern.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich ist weder das Internet ein rechtsfreier Raum, noch sollen echte Straftaten oder kriminelle Handlungen in irgendeiner Weise verharmlost werden. Auch benötigt unsere Jugend einen gewissen Schutz, wenngleich dieser eigentlich Aufgabe der Erzeuger, sprich der Eltern wäre.

Aber da wegen Gender Mainstreaming, allgemeiner Gleichstellung der Geschlechter und allen sexuellen Neigungen, notwendigen Doppelverdienerhaushalten, überforderten Alleinerziehenden oder Patchworkfamilien und der unablässigen medialen Berieselung die meisten Eltern ihrer Verantwortung gar nicht mehr nachkommen können, muss eben der Staat eingreifen. Dieser regelt und kontrolliert jedes Detail mit ungeheurem Aufwand und maximal schlechtem Ergebnis, wie bei allem.

jugendschutz.net macht sicherlich im Grundsatz eine ehrenwerte Arbeit, ohne jedoch zu wissen, für was sie sich dabei instrumentalisieren lassen. Die Mitarbeiter sind höchstwahrscheinlich ehrlich davon überzeugt, unserer Jugend einen guten Dienst zu erweisen. Dass diese Strategie jedoch in die falsche Richtung geht, hat der „Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur“ AK Zensur am 10.06.2010 kommentiert:

Anders als von Kurt Beck behauptet, sind die neuen Maßnahmen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nicht freiwillig. Im Gegenteil: Wer Inhalte publiziert, die für Kinder „erziehungsbeeinträchtigend“ sind, muss Maßnahmen ergreifen. Wer sich nicht daran hält, handelt ordnungswidrig und riskiert ein Bußgeld. „Freiwillig“ ist dabei nur die Wahl der Maßnahmen. Ein erster Praxistest des AK Zensur hat gezeigt, dass Selbsteinstufung und Alterskennzeichnung nicht praktikabel sind und dem Jugendschutz nicht dienen. Die Altersgrenzen werden auch bei alltäglichen Inhalten schnell erreicht.

Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist tatsächlich, wie Kurt Beck behauptet, richtungsweisend. Die Richtung zeigt allerdings in die Vergangenheit: Die jetzt beschlossenen Maßnahmen wurden schon Mitte der 90er-Jahre diskutiert, dann aber als untauglich verworfen.

Dass AK Zensur damit richtig liegt, zeigt auch der Anhang mit Auszügen aus dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, welcher dem Schreiben von jugendschutz.net an Wahrheiten.org beilag. Darin ist die Rede von:

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden.

Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

Im Wesentlichen bezieht sich dieser drohende Zusatz auf pornografische Inhalte oder ganz allgemein auf Angebote, die „geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu […] beeinträchtigen“. Ein wunderbar pauschaler Freibrief, der nach Belieben ausgelegt werden kann.

Mit diesem Hintertürgesetz, was sich keineswegs auf Freiwilligkeit beschränkt, wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck behauptet, beginnt eine nichtöffentliche Zensur des Internets. Nach vorne wird ein Alibithema hochgehalten – bei Zensursula wie auch bei jugendschutz.net – aber im Hintergrund will man sämtliche politisch gefährlichen Themen von der Allgemeinheit mit allen Mitteln fernhalten.

Wer das Internet insgesamt zensieren oder nach außerhalb der Ländergrenzen abschotten will, muss einerseits Google wirklich sehr gut überzeugen können und sich andererseits bei den chinesischen Behörden noch etliche Tipps holen.

Für die nach der Wahrheit Suchenden wird es vielleicht etwas aufwändiger werden mit zunehmender Zensurhärte, für die Anbieter, insbesondere die Aufklärungsszene, dürfte allmählich eine deutlich schwierigere Zeit anbrechen.

55 Replies to “Knallharte Zensur unter dem Deckmantel des Jugendschutzes”

  1. Ihr Artikel hällt, auch wenn durch Diesen die Wahrheit getroffen wurde, im Grunde genommen nichts wirklich Neues bereit, und veranlasst mich daher, selbst Neues und der Wahrheit entsprechendes, als Anerkennung Ihres guten Willen, beizusteuern, im Bezug auf den oftmals missbräuchlich erwähnten vermeintlichen Jugendschutz.

    Vor ca. eineinhalb Wochen machte ich, bei einer zuständigen PolizeiDienststelle in Linz, eine Anzeige, wegen des Verdachts der Erzeugung von Kinderpornografie und des Beweises der Verbreitung von Kinderpornografie auf der (Anti-) SozialPlattform „http://multiply.com“

    Ich ließ für diesen Zweck die Beamten der Polizei sogar direkt in meine Wohnung kommen, um den Herren der Polizei anhand zahlreicher Beispiele am PC zu zeigen, was ich auf Multiply.com seit dem Jahre 2007 so alles er- und überlebte.

    Trotz der von mir gesammelten Beweislast, empfahlen mir die Beamten, mich mit dieser Angelegenheit an die „technisch versiertere“ Kriminalpolizei zu wenden.

    mfg O.J

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