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Glas – gläsern – Überwachungsstaat BRD

Darf man unbescholtene Bürger auf Verdacht hin pauschal überwachen, durchsuchen und demütigen? Nein – außer man lebt in der BRD, da ist das möglich.

Man muss sich angesichts der ständigen Medienberichte gegen Kinderpornografie fragen, ob es denn außer diesem Problem keine weiteren Verbrechen mehr gibt in diesem Land.

Da werden auf Verdacht hin Millionen von Kreditkartenkunden willkürlich ausgespäht während zahllose Bänker – die wahren Verbrecher – frei herumlaufen und Abfindungen kassieren.

Natürlich ist Kinderpornografie eines der größten Verbrechen der Welt, darüber muss sicherlich nicht diskutiert werden. Die Frage ist jedoch, in welchem Ausmaß haben wir es mit diesem Problem zu tun? Wie viele dieser Fälle gibt es, dass sich derart umfassende Aktionen rechtfertigen lassen? Haben wir es hier mit einem Massenphänomen zu tun?

Die Welt berichtete am 02.04.2009:

Auslöser war eine Kinderporno-Seite im Internet, die von der Polizei ins Visier genommen worden war. Der Zugang kostete 79,99 Euro und war per Kreditkarte an eine bestimmte philippinische Bank zu bezahlen. Mithilfe dieser Daten und einer zusätzlichen Empfängernummer („Merchant-ID“) richteten die Staatsanwälte eine Anfrage an 14 Banken, die daraufhin freiwillig einen Suchlauf durch ihre Kreditkartenkonten starteten. Dabei kamen sie 322 Verdächtigen auf die Spur, deren Daten sie an die Staatsanwälte weitergaben.

322 Verdächtige sind entdeckt worden. Verdächtige. Also vermeintliche Täter. Hm, das rechtfertigt natürlich eine solche Maßnahme, bei der in das Bankgeheimnis von mehreren Millionen Bankkunden eingegriffen werden muss. Im Abendblatt vom 02.04.2009 ist von 20 Millionen Kreditkartenrechnungen die Rede:

Alle Kreditinstitute, die in Deutschland die Master- und Visacard ausgeben, wurden angeschrieben und mussten Kunden mit solchen Überweisungen nennen. Die elektronische Durchsuchung von 20 Millionen Kreditkartenrechnungen haben die Kreditinstitute durchgeführt. Die Geräte zeigten nur bei Überweisungen des Betrags auf das genannte philippinische Konto einen Treffer an.

Schön, die Geräte fanden also nur die Verdächtigen heraus – war das nicht genau der Sinn der Suche? Müssen wir jetzt froh und dankbar sein, dass nicht noch nach weiteren Kriterien gesucht wurde, wo man doch gerade schon dabei war?

Zum Glück gibt es Gesetze, die uns vor solchem massiven Missbrauch schützen und zum Glück können wir uns darauf 100% verlassen. Können wir? Der MDR schrieb am 02.04.2009 dazu:

Auf der Suche nach Straftätern dürfen die Ermittler grundsätzlich die Kreditkartendaten von Bankkunden überprüfen lassen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Richter wiesen damit die Klage zweier Bankkunden ab, deren Kreditkartendaten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Kinderpornografie im Internet gefilzt worden waren.

Jetzt kann natürlich argumentiert werden, dass die Daten von unschuldigen Kreditkartenkunden vollständig diskret blieben. Nur, das Ziel solcher Aktionen ist ja schließlich nicht, die Kontobewegungen der Unschuldigen einfach mal willkürlich aufzudecken, sondern es geht darum, dass die Bevölkerung ganz gezielt nach irgendwelchen bestimmten Mustern hin überprüft werden soll.

Wie wäre es beispielsweise mit Überweisungen auf ein Schweizer Bankkonto? Oder mit allen Käufen bei bestimmten Unternehmen? Wo war denn Herr Meier wieder mal einkaufen? Warum überweist Frau Müller jeden Monat Geld nach Polen?

Schauen Sie sich einmal einen Ihrer Kontoauszüge an. Würden Sie es wollen, dass Herr Schäuble und Kollegen alle diese Posten zu Gesicht bekommen? Oder das Finanzamt? Oder Ihr Arbeitgeber? Ist man automatisch ein Verbrecher, wenn man Wert auf Datenschutz und Diskretion legt?

Nicht umsonst wird z.B. für den Kauf von Edelmetallen empfohlen, diese nicht online, sondern per Barzahlung zu kaufen. Ihre sämtlichen Kontobewegungen sind – sobald sie erst einmal auf dem Kontoauszug stehen – für mindestens 10 Jahre in den Tiefen Ihrer Bank gespeichert. Unlöschbar. Und sicherlich irgendwann auch für den Direktzugriff aus dem Innenministerium oder aus anderen Behörden freigeschaltet.

Wenn das Bundesverfassungsgericht den Datenschutz bereits für wenige hundert potenzielle Fälle eines Vergehens oder einer Straftat aushebelt, dann werden die nicht mal mit der Wimper zucken, wenn es einmal darum geht, herauszufinden, welche Menschen wie häufig einer unerwünschten Partei Geld überwiesen haben.

Sie können sich vor dieser Totalüberwachung nur dadurch schützen, dass Sie zum Barzahler werden. Das mag zwar unpraktisch sein, aber es ist vergleichsweise sicher – in Bezug auf den Datenschutz – und Sie behalten zusätzlich auch einen besseren Überblick über Ihre Finanzen.

Kann man hier überhaupt von einer Totalüberwachung sprechen? Es wird ja nicht wirklich überwacht, sondern nur gesucht. Doch Vorsicht, Überwachung beginnt bereits beim Datensammeln. Die Daten sind da, alles wird gespeichert. Ob und wann diese ausgewertet werden, ist eine andere Frage. Es ist jedoch grundsätzlich möglich und das ist entscheidend.

Warum nun ausgerechnet auf dem Thema Kinderporno ständig herumgeritten wird, ist eine interessante Frage. Zwei Gründe können in Betracht gezogen werden. Zum einen ist mit dieser Begründung kaum Widerstand zu erwarten, selbst von Datenschutzfreunden. Denn diese werden sich nicht unbeliebt machen wollen, indem Sie sich dem offensichtlichen Schutz von Kindern in den Weg stellen.

Zum anderen ist das Thema hervorragend geeignet, um das Internet zu verteufeln und um auch hier immer härtere Maßnahmen ergreifen zu können. Die Anzahl der faktischen Vergehen ist hierbei unrelevant, es geht ums Prinzip. Wer sich darüber beschwert oder die geplante Sperrliste des BKA in Frage stellt, der macht sich direkt verdächtig.

Ist das nicht eine geniale Idee gewesen? Unschuldige Kinder werden gerne für jede Schandtat und als Alibi verwendet. Genauso wie in Winnenden. Bei Kindern hört der Spaß auf, da sind alle Mittel recht und legitim, seien diese auch noch so unrechtmäßig in Bezug auf Grundrechte und den Datenschutz.

Diese kleine Übung zeigt uns wieder einmal, wie die Schlingen des Überwachungsstaats immer enger um unsere Hälse gelegt werden sollen. Können wir schon bald die Tage der freien Meinungsäußerung im Internet zählen?

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